ER NANNTE SICH HOHENSTEIN

HANS-DIETER GRABE

27.09.2007

KUNSTFORUM ESSENHEIM

– aus dem Tagebuch eines deutschen Amtskommissars im besetzten Polen 1940-1942

 

1939. Deutschland überfällt Polen. Ein Viertel des Landes wird dem Deutschen Reich einverleibt. Ein Jahr später erhält ein kleiner Bürgermeister aus dem sogenannten Altreich seine Ernennung zum „Amtskommissar“ von Poddembice bei Lodz. Für ihn beginnt eine Zeit, die er nach dem Krieg die schönste in seinem Leben nennt. In seinen Tagebuchaufzeichnungen versieht er sich mit dem Pseudonym „Alexander Hohenstein“. Er nahm das Unrecht wahr, bat sogar gelegentlich bei seinen Vorgesetzen um Nachsicht für einen Gemaßregelten und war doch gleichzeitig ein williges Rädchen im nationalsozialistischen Räderwerk.

 


Das von Hans-Dieter Grabe sorgfältig bearbeitete und in Szene gesetzte Tagebuch erlaubt einen intensiven Blick in den Kopf seiner Verfassers. Er ist kein Mann der Peitsche und des Knüppels. Dass seine Sicht auf Polen und Juden, seine Beschreibungen und Formulierungen trotzdem Motivation für diejenigen sein konnten, die damals deutsches Herrentum nur zu gern mit Knute und Pistole demonstrierten, hätte er sicherlich empört zurückgewiesen.
„Am Ende der Recherchenzeit war nicht viel da an Material für einen Dokumentarfilm: wenige alte Fotos, dank glücklicher Umstände ein paar Amateurfilmmeter von damals mit Bildern von Hohenstein und seiner Familie und für neu zu drehende Aufnahmen die Handlungsorte im polnischen Städtchen. Aber auch die Texte des Tagebuchs. Und: die Bilder, die beim Hören dieser Texte in den Köpfen der Zuschauer entstehen sollen. (…) Also versuchten wir eine Film zu drehen, der aus Bildern besteht, die Platz lassen sollen für eigene Bilder und die Zeit lassen sollen für eigene Gedanken, für das Bestimmen des eigenen Standpunkts der Person Hohenstein gegenüber.“,  schreibt Hans-Dieter Grabe zu seinem Film, für den er eine einzigartige Form fand und der u.a. mit dem Adolf-Grimme Preis ausgezeichnet wurde.



In dem Epilog „Drei Frauen aus Poddembice“ schildern drei Frauen, die damals als Angehörige der deutschen Minderheit in Poddembice lebten, ihre Sicht der von Hohenstein geschilderten Ereignisse. Mit der Art und Weise, wie sie sich erinnern oder nicht erinnern oder nicht erinnern wollen, Fragen ausweichen oder ignorieren, zeigen sie, wie unzureichend die Vergangenheit aufgearbeitet wurde.