FRAU SIEBERT UND IHRE SCHÜLER

DOKUMENTARFILM VON HANS-DIETER GRABE

12.12.2013

20 UHR, KUNSTFORUM ESSENHEIM

„Rundherum ein Kreis und ein kleiner Strich.“ Sechs Erwachsene sprechen es im Chor. Dabei schreiben sie, was sie sprechen, zuerst einmal mit dem Finger auf den Tisch, in die Luft, auf den Rücken des Nachbarn. So lernen sie das kleine „a“.

 

Nachmittag in einem Berliner Wohnheim für geistig behinderte Erwachsene. Ingrid Siebert, Lehrerin an einer Schule für Behinderte, stellt sich hier einmal in der Woche, der besonderen Herausforderung,

ihren sechs schwer beschädigten erwachsenen Schülern Grundzüge des Alphabets zu vermitteln. Unendlich mühsam und langsam aber voller Begeisterung versuchen sie mit Frau Sieberts Hilfe lesen und schreiben zu lernen. Ingrid Siebert sagt: „Sie sollen bestimmt niemals eigene Sätze schreiben können. Aber sie sollen Spaß haben an dem, was hier geschieht und insgesamt wacher werden. Sie sollen an Selbstwertgefühl gewinnen und sich ernst genommen fühlen.“

 

Es ist Hans-Dieter Grabes erster langer Film, den er selbst drehte, mit einer Hi8-Kamera, unter bewusstem Verzicht auf formale und technische Perfektion. Die Störung für den Unterricht war so minimal, weil das ZDF-Team nur aus einer Person bestand, die Nähe zu den Protagonisten ist  groß. Grabe: „Da ich sie genau beobachtete, jede Regung in ihrem Gesicht wahrnahm… erlebte ich eine besondere, auch emotionale Nähe zu den von mir Gefilmten.“

 

Grabes Film ist eher ein Kammerspiel, gemacht für das Fernsehen, nicht für die große Kinoleinwand, „ein exemplarisches Werk dokumentarischen Sehens und menschlicher Anteilnahme“, wie Reiner Brückner-Heinze in der Frankfurter Rundschau schrieb. Der Kritiker der Süddeutschen  Zeitung, Wilfried Geldner, damals: „Vermutlich Hans-Dieter Grabes radikalster Film… Grabe schenkt uns nichts. Und wenn er auch selbstverständlich komprimiert und geschnitten hat, so wirken doch die Aufnahmen so, als wären wir wirklich bei dem quälenden Prozess des Lernens dabei.“